Frei­heit con­tra Gleichheit

In vie­len Gesell­schaf­ten ist Gleich­heit wich­ti­ger als Frei­heit. Warum?

Viel­leicht ver­birgt sich dahin­ter die Angst, zu ver­sa­gen. Frei­heit bedeu­tet immer auch die Frei­heit, sich falsch zu ent­schei­den und damit schei­tern zu kön­nen. Viel­leicht treibt gera­de die­se Ver­sa­gens­angst Men­schen dazu, es sich auf einem gleich­blei­ben­den Niveau bequem zu machen und eigen­ver­ant­wort­li­ches Han­deln zu erschwe­ren. Nach dem Mot­to: Bevor eini­ge Schei­tern blei­ben wir doch lie­ber alle gemein­sam auf nied­ri­gem Niveau. Wie sozial.

Hal­be Geister

So wie vie­le logisch gepräg­te Men­schen nichts mit Kunst anfan­gen kön­nen, so haben künst­le­ri­sche Men­schen oft „kei­nen Zugang” zur Logik.

Doch wäh­rend künst­le­ri­sche Men­schen oft eine zu star­ke Ver­nunft­s­be­to­nung von sich aus nicht wol­len, schei­tern all­zu logi­sche Geis­ter oft frus­triert an dem Erken­nen des Wesens von Din­gen, deren eigent­li­che Beson­der­heit ein Stück in ihrer unlo­gi­schen Natur liegt, ohne dass sie dies ahnen würden.

Nur rein durch Logik kann die­se Welt nicht ver­stan­den werden.

Tei­le und verliere

Frü­her leb­ten Men­schen in klei­nen Gemein­schaf­ten zusam­men. Ihre Lebens­welt und ‑wirk­lich­keit war über­schau­bar. Irgend­wann kam er zu einem Punkt, an dem die Men­ge des Wis­sens und der Erfah­rung so groß wur­de, dass nicht mehr jeder „alles” wis­sen konnte.

Mit stei­gen­dem Lebens­ni­veau haben sich Wis­sen und Erfah­rung immer wei­ter unter den Men­schen dif­fe­ren­ziert. Heu­te kann nie­mand mehr alles über­bli­cken. Beson­ders die Zusam­men­hän­ge zwi­schen ver­schie­de­nen Ent­wick­lun­gen kön­nen kaum abge­schätzt wer­den. Die Welt ist „zu groß gewor­den”. Die­se „teil­wei­se Blind­heit” könn­te dem Men­schen lang­fris­tig sehr scha­den. Viel­leicht fatal.

Zeit­raum oder ‑punkt?

Für vie­le archai­sche Völ­ker voll­zog sich die Zeit zyklisch. Nichts wur­de bis zu einem Punkt etwas und war dann fer­tig; alles kam und ging ewig. Heu­te herrscht in den (west­lich gepräg­ten) Gesell­schaf­ten ein geschicht­li­ches Zeit­ver­ständ­nis vor, nach­dem Ereig­nis­se gesche­hen und danach für immer abge­schlos­sen sind. — Aber woher wol­len wir eigent­lich wis­sen, dass wir uns nicht nur in einem sehr lan­gen Zeit­zy­klus befinden?

Wil­lens­schwä­che durch zu viel Freiheit?

In unse­rer Gesell­schaft sind die meis­ten Men­schen heu­te so frei wie es kaum Men­schen zuvor in der Geschich­te waren. Ihr Leben ist nicht mehr aus­schließ­lich durch Geburt, Geschlecht oder Her­kunft bestimmt.

Doch je grö­ßer die Anzahl der Mög­lich­kei­ten wird, aus denen Men­schen sich ihre Tätig­kei­ten und Inter­es­sen her­aus­su­chen kön­nen, des­to grö­ßer wird die Anzahl jener Mög­lich­kei­ten, die auf­grund der gerin­gen Lebens­zeit über­haupt nicht erfah­ren wer­den können.

Wis­sen­schafts­gläu­big­keit 1

Heu­te kann die Wis­sen­schaft so vie­les erklä­ren, dass es als „genug“ erschei­nen mag; in dem Sin­ne, dass bei man­chen Men­schen der Ein­druck ent­steht, sie kön­ne (lang­fris­tig) alles erklä­ren. Die Auf­nah­me­fä­hig­keit eines Men­schen ist schließ­lich begrenzt und das „erkann­te“ ist schon viel, viel mehr, als ein ein­zel­ner Mensch über­haupt über­bli­cken kann.

Viel­leicht ist das mit ein Grund für den fes­ten Glau­ben an die Wis­sen­schaft vie­ler Men­schen, die nicht erah­nen, dass die Mit­tel der Wis­sen­schaft womög­lich zu ein­ge­schränkt sind, um unse­re Welt als Gan­zes erken­nen zu können.

Wer nicht die Gren­zen der Wis­sen­schaft sieht, kann schnell zu ihrem Gläu­bi­gen wer­den. Und unter­schei­det sich damit prin­zi­pi­ell nicht von reli­giö­sen Menschen.

Unwis­sen­heit ist ein Segen

Wenn man zu viel nach­denkt und weiß, kann man sich irgend­wann an dem Punkt befin­den, an dem man das Leben nur noch „ver­lebt”; immer im Vor­aus schon „weiß”, war­um man etwas zu genau die­ser Zeit tut. Durch zu viel Wis­sen kann man sich der­ma­ßen ent­zau­bern, sodass der Reiz des Lebens schwin­det, der auch in Unvor­her­seh­ba­rem und in Über­ra­schen­dem liegt.

Zu viel Bil­dung ent­zau­bert die Welt.

Theo­lo­gi­scher Elfenbeinturm

Wem gehört die Reli­gi­on? Den Kir­chen, rie­fen Geist­li­che, beson­ders in Euro­pa, viel Jahr­hun­der­te lang.

Viel­leicht nicht immer aus purer Selbst­lo­sig­keit. Auch frü­her war Wis­sen schon Macht. Macht durch (nicht über) Reli­gi­on konn­ten Men­schen bekom­men, indem sie den Glau­ben so sehr ver­kom­pli­zier­ten, dass kein „ein­fa­cher Mensch” sie mehr allei­ne ver­ste­hen konnte.

Durch theo­lo­gi­sche Elfen­bein­tür­me konn­ten (und kön­nen) Geist­li­che Macht über Men­schen aus­üben, mit der Reli­gi­on nicht als Offen­ba­rung, son­dern als Mit­tel zur Macht.

Zu gro­ße Welt

Der Mensch ist nicht dafür gemacht, die Welt in ihrer Gesamt­heit über­bli­cken und ein­schät­zen zu kön­nen. Nur sei­ne Welt. Eine klei­ne Welt, von Fami­lie, Bekann­ten, Nach­barn, Bewoh­nern sei­nes Dor­fes oder — schon ganz modern — sei­ner klei­nen Stadt. In die­ser Sphä­re hat er fast die gesam­te Zeit sei­ner Exis­tenz gelebt. Dar­in konn­te er wenigs­tens grob sein Han­deln und deren Kon­se­quen­zen einschätzen.

Heu­te kann sein Han­deln Ein­fluss auf die Welt als gan­zes haben; mit so vie­len unmit­tel­ba­ren und mit­tel­ba­ren Aus­wir­kun­gen, die er in ihren tie­fen Abhän­gig­kei­ten nicht mehr über­bli­cken kann.

Der Mensch ist Klein­kind geblie­ben, doch spielt nun mit Werk­zeu­gen (und Waf­fen) von Erwachsenen.

Zeit als „sicht­ba­re” Dimension

Im zwei­di­men­sio­na­len Raum über­bli­cken wir die ers­te und zwei­te Dimen­si­on gleich­zei­tig. Im drei­di­men­sio­na­len Raum über­bli­cken wir die ers­ten drei Dimen­sio­nen gleich­zei­tig. Wenn wir die Zeit als vier­te Dimen­si­on betrach­ten, über­bli­cken wir vier Dimen­sio­nen gleich­zei­tig. In die­ser Welt leben wir.

Wenn man fünf­di­men­sio­nal sehen könn­te, könn­te man womög­lich alle „nied­ri­ge­ren Dimen­sio­nen” gleich­zei­tig sehen. Also auch einen zeit­li­chen Ver­lauf von der Ver­gan­gen­heit bis zur Zukunft. Die Zeit auf einen Blick.